Erkenntnis
MENSCH - du wurdest auserwählt und in diese Welt gestellt.
Sei‘s durch Liebe, sei‘s durch Triebe -
etwas passte ganz genau, zwischen Mann und zwischen Frau.
Musstest wachsen, lange reifen, um es endlich zu begreifen:
Ohne Streben - halbes Leben -
jeder auf dem Erdenrund trägt sein ganz besond’res Pfund.
Und so klingt das Lebenslied: Du bist deines Glückes Schmied.
Lass das Feuer nie verglühen -
nur mit Müh’ ist es entfacht, dass es brennt mit alter Kraft.
Sei kein Amboss, lieber Hammer, hör nicht auf den Tagesjammer.
Pfeif’ Dir eine Melodie -
mit gewisser Heiterkeit, und bleib stets am Puls der Zeit.
Mach den Mammon nicht zum Götzen, lass dich nicht durchs Leben hetzen.
Halte ein, um zu besinnen -
manche kriegen nie genug, kämpfen mit des Geldes Fluch.
Zeit für Musen, Zeit zum Träumen, Zeit für Picknick unter Bäumen.
Freu’ dich an dem Augenblick -
finde d e i n e n Ort der Kraft, der Dir Trost und Hoffnung schafft.
Unser Gastspiel hier auf Erden bleibt trotz mancherlei Beschwerden
ein Wunder und von Wichtigkeit -
und ist dein Beitrag noch so klein, fügt er sich doch ins Ganze ein.
Reiner Schubert
Meerbetrachtung
(Für Heide-Marie Ott, z.Zt auf Rügen)
Sonne legt den Strahlenglanz
auf wilde Ostseewellen,
um bis hin zum Horizont
die Fläche zu erhellen.
Schäumend, brausend, ungestüm
wechseln ständig Wogen,
staunend bin ich und beglückt -
fühl ' mich hingezogen.
Hier find' ich Ruhe, frische Kraft
für neue Tagesplagen,
und dazu manche Antwort auch
auf ungelöste Fragen.
Ich spür‘ den Anfang, spür‘ das Ende,
begreife es in dem Moment,
dass man den großen Sinn des Lebens
nur in der Stille klar erkennt.
Die Tage nutzen - jede Stunde -
und S i n n in unsrer Tätigkeit,
zu kostbar ist, was uns gegeben
für unsre kurze Lebenszeit.
Es sind die Augen, die erlauben,
die Pracht i n der Natur zu seh'n,
wir hören Vögel jubilieren
und bleiben dabei lauschend stehen.
Wie köstlich schmecken uns die Früchte,
wie herrlich duftet frisches Heu!
Ein fester Händedruck besiegelt
die alte Freundschaft immer neu.
Ein hohes Gut, die Menschenliebe,
wohl dem, der dankbar sie erfährt,
sie ist so wichtig für das Leben
wie Atmen - stets auf''s neu genährt.
Im schnellen, kurzen Erden-Dasein
gelingt uns vieles - manches nicht,
und wenn man mit Erfolg gesegnet
bekommt die Dankbarkeit Gewicht.
So danke ich für diese Stunden
mit Muscheln, Tang und Möwenschrei,
ich muss die Insel noch umrunden,
und wenn es noch so lange sei.
Zürich, 17.7.2019
Reiner Schubert
Barthold Hinrich Brockes
(1680-1747)
Bedeutender deutscher Naturlyriker, seine Texte wurden u.a. von
Johann Sebastian Bach, Georg Friedrich Händel und Georg Phillip
Telemann vertont
Du zeigst in deinem Werk die Schönheit,
mit der uns die Natur bedacht –
der Pflanzen helles Blütenfeuer,
von einem Sonnenstrahl entfacht.
Wie beim Gesang der Nachtigall
sich unser Herz mit Freude füllt,
wie unbeschwert das Spiel der Fische-
und Lebenslust aus allem quillt.
Du malst mit Worten deine Bilder,
schärfst zum Betrachten uns den Sinn.
Ich steh davor, begreif mit Ehrfurcht,
dass ich ein Teil des Ganzen bin.
Nicht alles, was der Mensch geschaffen,
verhilft ihm zur Glückseligkeit.
Natur vermag zu überdauern –
Manch anderes besiegt die Zeit.
Nur wenn man diesen grossen Reichtum
zu hüten einmal ganz vergisst,
stirbt mit der Erde deine Botschaft:
„Was lebt, zu leben würdig ist“
Reiner Schubert
Ankunft auf Rügen
(Gedanken beim Überfahren der Rügen-Brücke)
Die Brücke führt dich sanft hinab,
jetzt wirfst du deinenAlltag ab.
Welche Weite, welches Licht!
Anderes bekommt Gewicht:
Steile Küsten, Wellenschaum,
Tierwelt hat noch ihren Raum.
Stiller Bodden, Fischerkähne
und der Flug der stolzen Schwäne.
Dank für das Geschenk des Lebens!
Groll und Missgunst sind vergebens -
nehmen dir die besten Kräfte,
rauben dir die Lebenssäfte.
Danke für der Augen Schärfe,
du erblickst ein Farbenmeer,
kannst dieSchöpfung so erfassen,
staunen, wundern, immer mehr.
Lass in manchem Unbekannten
dich zuerst das Gute seh'n,
umso leichter wird es fallen,
Neues besser zu versteh'n.
Danke für das feine Hören
vieler Klänge um uns her.
Lass dich von Musik betören,
ohne sie wären wir leer.
Dass die Ohren unterscheiden edlen von der Masse Ton, wer sich müht, emporzustreben, dem winkt musensüßer Lohn.
Danke für die Kraft der Stimme, fordernd, flehend, jubelnd schön, klingt in tausenden Nuancen, und wird einmal leis' vergeh'n.
Musst sie mahnend auch erheben, wenn etwas aus den Gleisen springt, nicht mit Lobeshymnen sparen, wo ein großer Wurf gelingt.
Danke für den Glanz der Worte von den Großen ihrer Zeit - dieser Schatz ist Geistesquelle, und hält viel für dich bereit.
Täglich neu dein Tun beleben und entdecke dein Talent! Jeder kann der Welt was geben, wenn er wirklich dafür brennt.
Musst den Reichtum dieser Gaben hüten, nutzen - und bedenk': Du bekommst es doch nur einmal - dieses göttliche Geschenk.
Reiner Schubert |